Es war gerade die Zeit, als sich Prinz Alemander V. und Erbe des Throns mit dem mächtigsten General Nashram Sharboneth verbündete, um gemeinsam dem herrschenden Monarchen, Alemander IV. ein gewaltsames Ende zu bereiten. Das Attentat gelang, jedoch wurden sowohl der General, als auch der Thronerbe entlarvt und hingerichtet. Das Volk, das in der 1500-jährigen Dynastie der Königshäuser schon lange einen Hass gegen die Monarchie hegte, löschte die gesamte Herrscherfamilie innerhalb von kurzer Zeit aus. Diese Revolution ging als "die zehn schwarzen Tage des Elends" in die Geschichte Tethyrs ein. Und was darauf folgte war ein jahrzentelanger Bürgerkrieg, in dem mächtige Händler und wohlhabende Barone um die Macht rangen. Während im ganzen Land blutige Auseinandersetzungen tobten, hatten zwielichtige Gestalten und üble Gesellen ein leichtes Spiel. Meistenorts galt das Recht des Stärkeren, Meinungsverschiedenheiten endeten häufig blutig und nicht selten tödlich.
Ryna wurde in Tethyr, am Fusse der Berge von Alamir geboren. Als Tochter eines ehemals vermögenden Händlers, war sie in Gefahr. Nicht selten wurden Kinder von vermögenden, aber nunmehr schutzlosen Handelsleuten entführt und diese dann um Lösegeld erpresst. Aus diesem Grund übergab der Vater das Kind einer Amme und schickte beide nach Almraiven.
In der Hafenstadt wuchs Ryna im Armenviertel auf, wo ein älterer Priester, den alle "den Weissen" nannten, immer am Mittagstisch eine Predigt hielt. Seinen Übernamen hatte er aufgrund seiner beiden erblindeten, weissen Augen erhalten.
Die Umwelt, in der Ryna aufwuchs, war alles andere als förderlich, für eine gesunde körperliche Entwicklung. Als eines von vielen Kindern arbeitete sie an den Docks, half Ladungen von den Schiffen zu tragen und Botengänge zu erledigen. Jedoch waren ihre Kleider im Winter zu dünn, das Essen zu wenig und nicht nahrhaft und das Kind war meist schwach und kränkelnd. Umstände, von denen sie sich ein Leben lang nicht erholen würde. Jedoch war sie geschickt, aufmerksam und klug. Attribute, die vor allem einem wohlhabenden Händler auffielen. Nach und nach übertrug er Ryna verschiedene Aufgaben seiner Handelsgeschäfte und liess sie gleichzeitig von einem seiner persönlichen Berater ausbilden.
Dieser mysteriöse Händler, welcher in relativ kurzer Zeit ein ansehnliches Vermögen angehäuft hatte, geriet zusehends ins Visier der ansässigen Gilden, die sich einen solch einflussreichen Mann, der Beziehungen nach Tashluta pflegte, nur allzugerne als Verbündeten unter den Nagel reissen wollten. Jedoch liess sich der Kaufmann nicht beeindrucken und unterhielt zu seinem persönlichen Schutz eine eigens rekrutierte Mannschaft. Es waren Fremde, jenseits von Tashalar, kampferprobt und bestens ausgerüstet, mit denen sich niemand anlegen wollte. Es hiess, dass sie auf allerlei magischen Krimskrams Zugriff hätten und die meisten wollten es nicht drauf ankommen lassen. Sich mit einem aufstrebenden Fremdling anzulegen, dessen Macht niemand so wirklich einschätzen konnte, hätte bedeutet eine mögliche Niederlage in Kauf zu nehmen und sein eigenes Geschäft womöglich zu verlieren.
Ryna, die sich weniger um die politischen Verhältnisse kümmerte, als vielmehr darauf bedacht war ihre Aufträge auszuführen, wurde älter und reifer. Mit zunehmendem Alter wurden ihr auch weitere Verantwortungen übertragen und so kam es, dass sie letztendlich für die Kontrolle der Warenlieferungen, welche in Tashalar verschifft wurden und über den Seeweg nach Almraiven gelangten, zuständig war. Also loyale Angestellte, erledigte sie ihre Pflichten tadellos und lernte von ihrem privaten Hauslehrer und Magier. Er unterrichtete Sie in Mythologie und Zauberkunde, Sprachen und Handel, sowie diverse allgemeinbildende Fächer.
An einem gewöhnlichen Morgen, als gerade ein Schiff mit neuer Ladung von jenseits des Meeres anlegte, geschah jedoch das Unglück: Es handelte sich um eine geheime Lieferung von 15 Holzkisten, deren Inhalt niemandem bekannt war, ausser dem mysteriösen Händler selbst, verständlicherweise. Ryna war an diesem Morgen anwesend, um den Verlad und Transport der Lieferung zu koordinieren. Eine 20 Mann starke Leibwache des Händlers war ebenso zugegen, um die Sicherheit zu gewährleisten, während mehrere angeheuerte Dockarbeiter begannen die Kisten zu entladen.
Es war ein idyllischer Morgen mit den krächzenden Lauten von Möwen und den entfernen Klängen von Metallketten, die gelöst und anderswo wieder verkettet wurden.
Plötzlich zerriss ein scharfes Zischen die geschäftige Atmosphäre und Sekunden später explodierte am Bug des Handelsschiffes ein riesiger Feuerball. Fünf oder Sechs Wachen wurden hinweg gefegt und blieben als verkohlte Haufen liegen.. gleichzeitig stürmten vom gegenüberliegenden Pier bewaffnete Mannschaften heran, ihre Schwerter gezückt und mit lautem Johlen. Begleitet wurden sie von unzähligen Lichtblitzen, die wie eine Armee von Sternschnuppen zunächst in die Luft stiegen, um dann zielgerichtet auf die Wachmannschaften niederzuprasseln. Die magischen Geschosse fanden erbarmungslos ihre Ziele und hinterliessen die machtlose Abwehr verwundet oder tot. Magische Säurepfeile folgten den Fliehenden hinterher und wer sich ausser Sichtweite in Deckung bringen konnte, wurde erbarmungslos von den heranstürmenden Fusssoldaten neidergemacht. Da dämmerte es Ryna.. Die Gilden hatten sich zusammengeschlossen.
Für mehr Gedanken war jedoch keine Zeit, denn auch sie wurde zum Ziel und noch ehe sie sich versah, hörte sie vom Steg einen Ruf: "Da ist sie, bringt sie mir, tot oder lebendig.. tot zwei Kisten eurer Wahl... lebendig.. eine Kiste, haha!!" - da gab sie Fersengeld. Ihr Fluchtweg sollte sie durch die bereits abgeladenen Kisten führen, da vernahm sie erneut das scharfe Zischen in der Luft und da war es auch schon zu spät.. ein fürchterlicher Knall gefolgt von einer Feuerwalze sprengte die Kisten an ihrer Seite in die Luft. Sie wurde regelrecht von Feuer, Glut und Flammen eingehüllt.. "Das ist das Ende" schoss es ihr durch den Kopf, als sie spürte wie eine unerträgliche Hitze ihren Körper wie eine Fessel umschloss. Dass sie dabei hinweggeschleudert wurde, fühlte sie nicht. Vielleicht war es ihr Glück, denn Sekunden später schlug sie hart auf, halb besinnungslos, aber noch lebendig und kühl.. im Wasser. "Was nun?" Halb belämmert von der Explosion, der Hitze und dem Aufschlag, konnte sie fast keinen klaren Gedanken fassen und noch bevor ihre Sinne alles verarbeiten konnten, schlugen auf allen Seiten Gegenstände ins Wasser. Holzteile von Kisten, Bruchstücke von seltsame Figuren aus Stein gemeisselt, Waffen, Schmuck und .. was war das? Eine seltsam glatte Platte, die aussah wie ein Spiegel, die neben ihr im Wasser versank - und gerade als ihr Blick auf die Oberfläche traf, fühlte sie einen unendlich starken Sog, als würde etwas ihre Seele aus dem Leib ziehen wollen...
Sie wehrte sich nicht und liess es zu - alles war besser, als hier zu ertrinken, oder dem Mob in die Hände zu fallen.
Später, als sie erwachte, lag sie auf einer Wiese und hinter ihr, eine spiegelglatte Oberfläche, in die sie hineinblickte:

Mit den Brandwunden als Narben würde sie wohl leben können. Hauptsache leben.
Einige Wochen später stiess Ryna eher zufällig auf eine Expedition, als sie auf dem Weg in Richtung Schleiergebirge war. Einige Abenteurer hatten sich gefunden, um eine verschollene Person ausfindig zu machen und zu bergen. Sie starteten die Expedition am Silberbachlauf, dort wo sich das Wasser in Richtung Elfensiedlung bewegte und von ihnen mit Holzbrücken überquerbar gemacht wurde. Sie schloss sich der Unternehmung an, da sich keiner der Teilnehmenden sicher war, wer oder was für die Entführung letztendlich verantwortlich war.
Zunächst setzten sich lediglich einige Feuerkäfer zur Wehr, aber je tiefer sie in das felsige Tunnelsystem der nördlichen Höhlen vordrangen, umso klarer wurde, womit sie es zu tun hatten. Riesige Käfer und Spinnen gesellten sich dazu und just bevor die Tunnel tiefer gingen, tauchten Drinnen auf. Magische Bestien, halb Drow halb Spinne, von den Drow Priesterinnen verflucht. Die Abenteurer nahmen den Kampf jedoch auf und seilten sich tiefer ab in die Tunnel des Unterreichs - unsicher, ob und wie sie heil wieder aus dieser Lage entfliehen konnten.
Es kam auch, wie es kommen musste und die Gegner wurden übermächtig, überall hörten sie das klacken und klickern von Spinnenbeinen an den kahlen, dunklen Wänden. Die magisch Begabten vermochten mit einigen Flächenzaubern den ersten Ansturm noch abzuhalten, aber je länger es dauerte, umso offensichtlicher wurde es, dass sie fliehen mussten. Die Gruppe wurde jedoch getrennt, indem die Drinnen die Verteidigenden Magier von der vorstossenden Expeditionsgruppe abzuschneiden vermochten. So flohen Ryna und ein weiterer Elf nach oben, um in der elfischen Siedlung Verstärkung zu rufen. Genau in dem Moment als die Verstärkung schliesslich eintraf, öffnete sich ein Portal und die Entführte, sowie die restlichen Expeditionsteilnehmer konnten gerettet werden.
Was genau passiert war, konnte Ryna nicht in Erfahrung bringen, jedoch erkannte sie dieselbe junge Frau aus dem Nebelwald, die entführt worden war - Abigail.
Dass die Entführung nicht spurlos an der Frau vorbei gegangen war, zeigte sich einige Tage später an einem Fest in Nova. Just als die Festivitäten beinahe den Höhepunkt erreicht hatten, zog die Entführte einen Bogen und feuerte einen Pfeil auf Ryna. Überrascht und unvorbereitet traf sie der Pfeil mitten in die Brust, worauf sie kraftlos zu Boden sank.
Noch immer geschwächt durch die dunkle Magie der Halborks, welche selbst ihren Heiligtumszauber völlig nutzlos werden liess, konnte die Heilmagie nichts gegen die frische Wunde ausrichten und der örtliche Heiler musste sein ganzes Register ziehen, um die heikle Pfeilverletzung in den Griff zu bekommen. Zwei ganze Wochen dauerte es schliesslich, bis sie sich von der Attacke erholt hatte.
Was wohl die Gründe dafür waren?
Rache? Ein Attentat? Die Verwirrtheit nach der Entführung?
Ryna beschloss, zukünftig noch vorsichtiger zu sein.